Liebe OG-Mitglieder,
erfreulich ist, dass auch im ablaufenden Jahr 2022 das Interesse an den Online-Vorträgen unserer Gesellschaft weiter gestiegen ist. Unsere monatliche digitale Einladung erhalten 630 Mitglieder und 870 weitere Interessenten – insgesamt sind es also etwa 1500 ornithologisch Interessierte, die sich unserem Online-Programm zuschalten und auch ihre Fragen an die Referenten richten können – wir sehen darin einen Zuspruch zu unserer Arbeit. Dabei bleibt uns allerdings bewusst, dass viele Mitglieder darüberhinausgehende Treffen vermissen. Wie Sie aus dem beiliegenden Programm ersehen, werden wir im kommenden Jahr wieder unsere persönlichen Kontakte bei Exkursionen und Stammtischen pflegen.
Im März 2022 konnten wir die 8. Bayerischen Ornithologentage in digitaler Form mit etwa 200 Teilnehmern durchführen. In diesem Rahmen wurde auch der Walter-Wüst-Preis, dotiert mit 2.000 €, verliehen. Der diesjährige Preisträger Herr Lucas Fäth hat in seiner wissenschaftlichen Arbeit Nistmaterialien von Blau- und Kohlmeise untersucht. Das Kuratorium des Walter Wüst-Preises schrieb in seiner Begründung unter anderem: “Wir hoffen, dass auch künftige Generationen von Studierenden ökologischer Fachrichtungen erkennen, dass man für innovative Erkenntnisse unbedingt ausgetretene Pfade verlassen muss und ein Blick über den Tellerrand stets fruchtbar ist. Möge der Wüst-Preis dazu beitragen, künftige Nachwuchswissenschaftler diesbezüglich zu motivieren.” Zudem konnte im Jahr 2022 unser Walter Wüst-Forschungsfonds mit einer Ausschüttung von 5.000 € einen Ornithologen bei seiner wissenschaftlichen Forschungsarbeit unterstützen, die sich mit der Aufspaltung der Weidenmeise in zwei Formen befasst. In diesem Zusammenhang bewegt mich das Ableben von Dr. Einhard Bezzel und ein Jahr zuvor von Dr. Manfred Kraus als Ehrenmitglieder der OG-Bayern nochmals. Beide waren nicht nur herausragende Ornithologen, sie hatten überdies ein breites biologisches Fachwissen und den Mut, innovative Herangehensweisen zu entwickeln und Arbeiten kritisch zu hinterfragen. Sehr betroffen macht mich der kürzliche unerwartete Tod von Klaus Rachl, vormals stellvertretender Vorsitzender unserer Gesellschaft.
Das Wissen um die Artenvielfalt und die natürlichen Lebensräume wird weiterhin unser Hauptziel sein. Wir wollen ein Signal setzen durch eine erste ornithologische „Summer-School“ in Bayreuth. Ein weiteres richtungsweisendes Projekt wird unser Atlas der Wintervögel in Bayern sein, der unter Federführung unseres Beirats Prof. Franz Bairlein entstehen wird. Durch von Menschen gemachte Veränderungen, die stark und immer schneller in Zusammenhänge eingreifen, geraten Vögel wie die Saatkrähe und der Gänsesäger wieder häufiger von landwirtschaftlicher Seite und auch medial unter Druck. Arten rücken unter dem Titel „Schädling“ in den Fokus, ihnen möchte man am liebsten mit „letaler Vergrämung“ begegnen. Dass eingestreute Wiesen in intensiv genutzten landwirtschaftlichen Räumen rar geworden sind oder völlig fehlen, dass es an Dauergrünland mangelt, auf dem Saatkrähen Nahrung finden könnten, ebenso wie Feldgehölze und Hecken in der Kulturlandschaft als Brutplätze, wird ignoriert. Umso mehr freut es mich, dass zur Saatkrähe im Jahr 2023 Herr Matthias Putze vom Bayerischen Landesamt für Umwelt bei unserer Gesellschaft einen Vortrag halten wird. Natürliche oder naturnahe, unverbaute, kalte und klare Fließgewässer mit sauerstoffdurchströmtem Kiesbett für Fischarten wie die Äsche sind im Alpenvorland so gut wie nicht mehr zu finden. In der Folge schwelen Konflikte mit den Landnutzern sowie Angler- und Fischereiverbänden. Allzuschnell wird die Schuld auf den Gänsesäger geschoben – der einfachste Weg, wenn man die Schwebstoffeinträge aus der Landwirtschaft und die unaufhaltsame Gewässererwärmung nicht abstellen kann.
Im Namen von Vorstandschaft und Beirat danke ich Ihnen für Ihr Interesse und Ihre Mitgliedschaft und verbleibe mit den besten Wünschen für 2023
Ihr Manfred Siering
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